„Requiem für Luise oder Erinnerung ist ewige Gegenwart“ (3)
hier nun Teil drei der Geschichte der ersten Königin der Herzen. (Wenn Sie diesem Link folgen, lesen Sie Teil 1 und hier Teil 2
Die Hoffnung ist der Regenbogen über dem herabstürzenden Bach des Lebens
Damals war es die Königin, die ihrerseits Zuversicht brauchte. In ihrem letzten Brief an Schwester Therese, Fürstin von Thurn und Taxis, schreibt Luise:
„Das Wort „Hoffe, hoffe“, war seit langem das erste, bei dem ich frei aufatmete.“
Entkräftet von den Strapazen jahrelangen Reisens und von zehn Geburten in fünfzehn Jahren, hätte Luise dringend einer Kur bedurft. Aber dem bankrotten Staat fehlten die Mittel. So schreibt sie weiter in ihrem Brief an die Lieblingsschwester:
[…] da der König gut und liebevoll ist, und, um mich zu erhalten, keine Aufopferung kennt; da aber meine Übel noch nicht von der Art sind, dass es unumgänglich notwendig ist, so will ich selbst die dèspense nicht“
Luise erwähnt aber gleichzeitig,
„wie gut es mir an Leib und Seele tun würde, Zerstreuung, Erholung und Stärkung zu bekommen. […] da ich nie an mich, sondern an das Ganze denke, so hab ich nein gesagt, und dabei bleibt es.“
Aus den nachfolgenden Zeilen leuchtet sanft die Ahnung heraus, dass die Königin der Herzen weiß, dass ihr Ende nah ist.
[…] „Tränen der Freude kann ich nicht weinen, aber der Dankbarkeit, wie gesagt mit aufrichtigem Herzen. Ich habe gelebt und gelitten, dass ist wahr, es musste aber so kommen, um mich zu läutern und festzustellen, im Glauben und in Demut vor Gott, die die wahre Erkenntnis ist.“
Auch wenn Luise eine Kur ablehnt, läßt sie sich zu einer Reise ins heimatliche mecklenburgische Schloss Hohenzieritz überreden.
Requiem nimmt uns Zuschauer mit in diese letzten Tage und Stunden
Erzählt von Luises letzter Reise und ihrem Wunsch zu genesen. Eröffnet die Totenmesse mit einem Brandenburgischen Aerntelied von Vincenzo Righini, das von Friedrich de la Motte Fouquè getextet wurde. Während ich andächtig lausche, lese ich:
„Der Aufenthalt sollte Luise die nötige Erholung bringen, doch schon kurz nach ihrer Ankunft erkrankte sie an einer Lungenentzündung, von der sie sich nicht wieder erholte. Ein Bote wird zum König geschickt, der sich eilends auf den Weg macht und sie sterbend antrifft.“
Musik erfüllt in diesen Momenten die Königin Luise Gedächtniskirche, die augenblicklich zu einer Insel, bei der das heute außerhalb dieser Mauern im ganz normalen Alltagstrubel einer Großstadt untergeht, wird.
Ein Eiland, auf dem die Vergangenheit über transportierte Gefühle von einst, phantastischer Melodien und dezent vorgetragenen Texten zur einzigen Gegenwart wird.
Nur Hüsteln hie und da, ein leichtes Rascheln unterbrechen diese grandiose Veranstaltung.
Der Vortrag der Solisten, die Stimmen der Mezzosoprane, Soprane, Tenöre, Bässe, der Orgel und anderen Instrumenten vermischen sich mit der Stille der heiligen Halle, dem hereinbrechenden Sonnenlicht.
Erzeugen eine ganz eigene Athmosphäre, die uns empor trägt in die für besondere Anlässe reservierten Bereiche unseres höheren Selbst.
Lassen uns teilhaben an der Zeit vor dieser Zeit.
Bilder öffnen sich vor inneren Augen, in die uns die Leser führen.
Zeigen uns jene Momente die das Ableben der großen Königin der Preußen schildern.
Richten den Blick auf Luises Ehemann, der bestürzt ihre letzten Weisungen am Sterbebett
entgegennimmt. Wie etwa die, sich sowohl um das Wohl des Staates, als auch um das Wohl der Kinder zu kümmern. Sich mit Luises verstoßener Schwester Friedericke auszusöhnen.
Der König der Preußen verspricht das.
Seine Trauer um Luises Verlust wird wohl niemals enden.
Ihr und den zig tausenden Gefallenen der Befreiungskriege zu Ehren führt er 1816 den Totensonntag ein, den bald ganz Deutschland übernehmen wird.
Ihre Königliche Majestät, Luise von Preußen stirbt, wie sie lebte.
Als ein Mensch, der von sich in seinem letzten Brief an Schwester Therese im Juni 1810 formulierte:
„Mein Leben gehört ganz dem Staate, wenn es ihm das Glück wiederbringen kann. […] Meine Seele ist grau geworden durch Erfahrungen und Menschenkenntnis, aber mein Herz ist jung. Ich liebe die Menschen, ich hoffe so gern, und habe allen, ich sage allen, meinen Feinden verziehen.“
Am 19. Juli 1810 erlöschen die Fenster zur Seele der Königin Luise von Preußen. Der Schock über ihren doch so plötzlichen Tod sitzt tief, sowohl in der Familie, als auch im Volk. Im Programmheft lesen wir:
„Die Todesnachricht löste in Preußen eine regelrechte Schockwelle aus. Die Beileidsbekundungen nahmen ein Ausmaß an, welches das übliche Maß an verordneter Anteilnahme zum Tode einer Monarchin bei weitem überstieg. Beamte, Dichter und Komponisten, aber auch ganz normale Berliner Bürger gaben ihrem Bedürfnis nach, den Tod ’ihrer’ Königin zu beklagen.“
Musik und Gedanken sind Zauberinnen
die der Trauer der Menschen von damals ein Bild geben und uns Luise letzte Augenblicke und die Zeit danach bildhaft vor Augen führen. Wie etwa die Auszüge aus der Gedenkpredigt von Friedrich Schleiermacher. Uns über Arien, Orgelklängen und Totenklagen diesen Schmerz fühlbar machen und den Tod Ihrer Königlichen Majestät in unsere Mitte holen.
Wer die Augen schließt, ist in jenen Minuten, als Luise, Königin der Preußen, heimgeholt wird.
Unsere inneren Augen folgen dem Leichenzug auf einhundertzwanzig Kilometern unbefestigter Straßen. Sehen den Staub in der flirrenden Julihitze aufwirbeln und einen Grafen von und zu heran nahen, der Trockeneis liefert, um in der drückenden Julihitze die sterbliche Hülle der Königin vor schnellen Verfall zu bewahren. Wir treten ein in ein Zelt, in dem der schwarz umflorte Sarg auf trockenem Eise über Nacht ruht. Nehmen war, wie sich am nächsten Tag die schwarze Prachtkutsche in Bewegung setzt. Es scheint mir wirklich, die Rappen wüssten um die Tragik des Augenblicks, so gemäßigt schreiten sie. Jegliche Hast und Eile fehlt ihnen.
Erblicken immer wieder Menschen, die die Straßen von Hohenzieritz bis Berlin säumen, Blumen streuen, ihr Tagwerk haben fallen lassen, um ihr Beileid zu bekunden.
Werden eingelassen in den Raum von Luises Abschiedsfeier. Dürfen teilhaben an den Überlegungen, diese krönende Lebensfest ihrer Königlichen Majestät am offenen Sarg stattfinden zu lassen. Hören von der Entscheidung, angesichts des körperlichen Verfalls Luises sterbliche Hülle besser im geschlossenen Sarg aufzubahren.
Wir sehen Scharen von Menschen, die in bedrückter Stille an ihrer Herrscherin vorbeidefilieren. Für Momente stehen bleiben, um einen letzten Gruß zu senden, Lebewohl sagen und ihr Haupt zu verneigen.
Lauschen gebannt in einen a cappela Gesang hinein.
Göttliche Musik, die sich aufschwingt, uns mit sich in die Höhe trägt, in der grandiosen Akustik dieser Kirche widerhallt und tief in uns bewegend erklingt.
Die Texte, Stimmen und Musik lassen Zeit und Raum hinter sich öffnen den Horizont des Todes, steigen die Himmelsleiter empor, um die Seele der Königin abermals mit zu ihrem Schöpfer zu geleiten.
Sphärische Klänge, die von Hoffnung auf das Licht hinter dem Horizont künden.
Eine Totenmesse, die Louisens Handschrift trägt, traurig und gleichzeitig leicht und verspielt wirkt und so ihren Geist auch zweihundert und ein Jahr nach ihrem Tode wach und lebendig hält.
Atemberaubend
Faszinierend
Stille
Das Publikum schweigt
Dann
Andächtiger doch begeisterter Beifall.
(Quellen: Wikipedia.de; Höfische Festspiele Potsdam; www.preussen.de; www.königin-luise.de; Königin Luise v. Preußen – Briefe & Aufzeichnungen 1786-1810, Hrsg. Malve Gräfin Rothkirch, München 1985)
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