Ich will sterben!

Ein Satz, der sich mir eingebrannt hat

und den meine Mutti mehrmals ausgesprochen hat, als sie sich in einer ihrer schmerzvollsten Lebensphasen befand. Nichts und niemand konnte sie von diesem Gedanken wegbringen. Selbst ihr geliebter Enkel blieb als Grund, hier zu bleiben, chancenlos. Irgendwann war ich sprachlos, hörte ihr einfach nur zu und das bis zu dem Tag, an dem sie verstummte. Ich war da und bei ihr, versuchte sie aufzumuntern. So wie meine Schwester und mein Sohn…

Helene Wahle 1922 bis 1998

Helene Wahle (1922 bis 1998)

Heute, zwanzig Jahre später, weiß ich:

„Sterben ist Leben. Sterben ist der Ausklang unseres Daseins, in dem sich unser Leben klärt. Die Seele will geläutert aus diesem Leben scheiden. Altes hinter sich lassen. Sie ist die ewig lernende Essenz in uns, die weiß, dass Leben immer nur Leben ist. Dass der Tod nur die Mitte zweier Leben ist. Das Ego weigert sich. Es hat Angst, zu sterben. Baut alle möglichen Gedankenkonstrukte auf, leugnet die eigene Essenz.


Während unseres Sterbens ploppt das, was unverarbeitet ist, auf die Bühne unseres Bewusstseins. Es sind die Stunden der Wahrheit, die sich in jedem von uns in ihrer Zeit vollziehen. So auch in meiner Mutter. Sie war in vielen Dingen für mich ein Vorbild gewesen. In ihrer Stärke, in ihrer Art, ihre Brut selbst vor der Staatssicherheit zu schützen.

In ihrer großen Kraft, den Grauen des Zweiten Weltkrieges entronnen zu sein. Und in ihrem unerschütterlichen Glauben, sich für die Rechte von uns Frauen zu engagieren. Dann kam wohl der Tag, an dem alle Stärke aufgebraucht war. Der Augenblick, an dem sie am Ende ihrer Kraft angelangt war. Meinem Gefühl nach war sie unfähig, sich diesem letzten Sterben zu stellen. Solange ich denken kann, hatte sie gesagt:

‚Mit unserer Geburt unterschreiben wir unser Todesurteil.‘

Doch als es soweit war, ertrank sie mutmaßlich in den Erinnerungen und Emotionen ihres Lebens.

Manche dieser Erlebnisse waren sicherlich wundervoll. Wie die an ihre dreizehnköpfige Familie, an den Vater und die Mutter, den Vater und die zehn Geschwister. Sie war die jüngste. Das Nesthäkchen, so wie ich. Erinnerungen an die Zeit in Bukarest als Nachrichtenhelferin, die Kriegsdienst verpflichtet war. Ein blühendes Land mit zugewandten Menschen, bis die Russen einmarschierten.


Meine Mutti zählte diese Jahre in Rumänien trotz des Krieges zu den schönsten Zeiten Ihres Lebens. Ein Gefühl dieser Zeit vermittelt mir eine Veranstaltung mit Andrè Rieu und Gheorghe Samfir. Diese Veranstaltung fand in Bukarest statt…  Wie alle jungen Leute hat sie die Zeit einfach aus vollen Zügen genossen.

1945 marschierte die Rote Armee in Rumänien ein. Die Rumänen wollten die deutschen Frauen nach Hause schicken. Doch Stalins Befehl lautete:

„Alle kommen in Kriegsgefangenschaft“

Unter den Gefangenen war auch meine Mutter. Sie wurde verschleppt an einen Ort im Donezkbecken, zigtausende Kilometer von ihrem Zuhause entfernt. und so fand sich meine Mutti, die damals dreiundzwanzigjährige Helene Noczynski, in einem Internierungslager im Donzeskbecken wieder. Unter einem Internierungslager versteht man im juristischen Sinn einen staatlich organisierten Freiheitsentzug. Ziel dieser Maßnahme ist es,  einzelne Menschen oder Menschengruppen von der übrigen Bevölkerung in speziellen Lagern zu trennen.   Soldaten kamen mit Maschinengewehren bewaffnet immer wieder in die Baracken, um sich die Frauen zu holen.

Missbrauch ist ein Teil des Menschseins.

Doch gerade in Kriegszeiten sind es alle Menschen, die tief verletzt und traumatisiert werden. Seelisch verwundete Soldaten nehmen sich was sie wollen. Frauen waren sind im Krieg immer ungeschützt und ausgeliefert. Noch schutzloser sind sie in Gefangenen-Lagern. Meine mutige Mama stellte sich ihnen entgegen und rettete ihr eigenes und das Leben von so mancher Frau, wie sie mir wiederholt erzählt hatte …
Vielleicht sah sie sich im Ausklang ihres Daseins wieder in jener Zeit. Denn in der Zeit des Sterbens driftet aus unserem Unbewussten alles an die Oberfläche, was geklärt und erinnert werden will.  Sie sah sich möglicherweise mit kaum einem Fetzen am Leibe, weil sie all ihre Habe gegen etwas zu essen eingetauscht hatte. Und das inmitten des russischen Winters.

Mutmaßlich eilten ihre Gedanken in jene Tage zurück, als sie an Typhus erkrankte und auf 45 Kilo abmagerte. Arbeitsunfähig und mehr tot als lebendig wurde sie 1945 nach Hause geschickt.  Doch ihr geliebtes Zuhause in Oberschlesien war ausgelöscht und ihre Familie vertrieben. Ein Bruder war vermisst, und die übrigen neun Geschwister sowie die Mutter waren in alle Winde in Deutschland verweht.

Das Unterbewusstsein vergisst nie etwas.

Jede noch so kleine Erinnerung und jede unverarbeitete Emotion bleibt bis ans Ende der Zeit und darüber hinaus aufbewahrt. Haftet sich unserem Geist an. Besonders die, die wir mit starken Gefühlen verbinden: seelischen Schmerz und tief erfahrene Liebe; Wut und Zorn; Trauer …  Im Unterbewusstsein, dem die Zeit fremd ist, geschieht alles jetzt. Es hat die Kapazitäten des Universums. Einstein formulierte das so:

‚Wer glaubt, die Fähigkeiten und Kapazitäten mit dem Verstand erfassen zu können, hat auch die Idee, das Universum mit der Taschenlampe ausleuchten zu können.‘

Wie schlimm muss es für meine Mutti gewesen sein, wenn sie in diese grauenvollen Erinnerungen gezogen worden ist. In das Gefühl einzutauchen, sterbenskrank in einem Güterwaggon zu liegen. Und das mit vielen anderen todgeweihten Menschen. Wie schrecklich muss es sein, sich daran zu erinnern, in diesem Waggon auf dem Boden zu liegen, während der Zug ratternd durch die endlose russische Weite fährt. Es muss desaströs für sie gewesen sein, in einem Verkehrsmittel zu liegen, dem jegliche sanitäre Anlagen fehlten. Sie war jemand, der sehr auf Reinlichkeit bedacht war.

Gerüche, die sich wie eine fette Regenwolke schwer über die Menschen legten, die dort kreuz und quer im Zug verteilt waren. Ihr starker Willen und eine behütete Kindheit gaben meiner Mutti wahrscheinlich die Kraft, sich auf Überleben zu programmieren. Das hat sie in den überaus seltenen Fällen, wenn sie über diese Zeit sprach, gesagt.

Es waren sicherlich Stunden, in denen sie nur daliegen konnte, während die Minuten bleiern dahin flossen und  ihr Magen sich knurrend und bedrohlich krampfte. Solange, bis sich ihr gnädig Bewusstsein trübte und diese schockierenden Erfahrungen ins letzte Eck ihres Unterbewusstseins verschoben.

Sie hatte Fieber, ausgelöst durch den Typhus. Ich habe mich belesen, was diese Krankheit mit Menschen macht. Das Herz meiner Mutti schlug immer langsamer, kam aus dem Rhythmus. Herzrhythmusstörungen sind ein Teil ihres Lebens geblieben. Wen wundert das, wenn das eigene Leben so aus der Bahn  geworfen wird?

Ich fühle mich ein in sie und ahne, wie furchtbar es für sie gewesen sein muss, in einem Zug zu liegen, der ins Nirgendwo fährt. Für sie muss es Panik pur gewesen sein, vom Donnergrollen der Geschützfeuer des Krieges vom Boden und den Bombenangriffen aus der gerade erwachsen gewordenen Mutti geworden sind.

Solche emotionalen inneren Bilder will niemand wirklich sehen.

Und um all dem zu entrinnen, verdrängt der Mensch. Bis eben in jenen Augenblick, wenn unser Leben zur Neige geht. Dann kommt alles hoch, was wir verdrängt haben. Und wenn es so furchtbar ist, dass wir uns weigern, hinzuschauen, dann wird das Verdrängte zu körperlichem Schmerz. Der Körper ist der sichtbare Teil unserer Seele.

Der Wunsch meiner Mutti erfüllte sich. 2 Fehldiagnosen und acht Wochen später ereilte sie mitten im Krankenhaus eine Blutvergiftung. Wochen des Wahnsinns folgten, und schließlich starb sie an den Folgen im Laufe von vier Tagen. Es war ein geschichtsträchtiger Tag, an dem sie dann endlich gehen konnte. Wir schrieben den 17. Juni 1998. Jener Tag, an dem 1953 die Bürger der DDR gegen die Regierung aufbegehrten und dieser Aufstand niedergeschlagen wurde.

Mein Vater lebte damals noch.

Eigentlich war es er, der lebensbedrohlich erkrankt war.

Horst Wahle (1919 -1998)

Horst Wahle (1919  bis 1998)

An dem Tag, an dem Lady Di  – am  31.08. 1997 – gestorben war, hatte er im Jahr zuvor seine Krebsdiagnose bekommen. Und das fast genau auf den Tag genau an dem Tag, an dem meine Großmutter im 78. Lebensjahr gestorben war.
Seit ihrem Tod, 1966, hatte mein Vater die Angst in Form von Gedanken in sich geschürt, dass auch er an Krebs erkranken würde. Ich erinnere mich, dass mich seit meinem fünften Lebensjahr ein Satz meines Vaters begleitete:

„Ich sterbe sowieso bald.“

Als Kind hatte mich das zutiefst erschreckt. Als Erwachsene verwundert.

„Du bist deine Gedanken“,

wusste schon der römische Feldherr und Philosoph Marc Aurel, der vor über 1820 Jahren in Rom verstorben ist. Und was damals wahr war, ist noch heute wahr. So trat ein, was mein Vater am meisten gedanklich befürchtete. Er erkrankte an Krebs und kämpfte, wie er sein ganzes Leben lang gekämpft hatte. Der Krieg hatte ihm seine Jugend genommen, die Male zeichneten seinen Körper und seine Seele. Der Krieg blieb auch bei ihm wie bei meiner Mutter ein Teil seiner Seele.

Anders als meine Mutti stellte er sich seinem Sterben und dem Tod bewusst. Ein Leben lang hatte er an allem festgehalten. Nun begann er, loszulassen und sein Leben aufzuräumen. Akzeptierte uns einfach, wie wir sind. Einmal in meinem damals 35-jährigen Leben aßen wir gemeinsam in aller Ruhe zusammen. Ich habe es erlebt und bin dankbar dafür. Mein Vater gab mir mit auf den Weg:

„Irene, mache mehr aus deiner Schreiberei. Du schreibst brillant.“

Damals antwortete ich noch:

„Das ist doch eine brotlose Kunst.“

Der Tod meiner Mutter gab meinem Vater die Kraft, das in die Tat umzusetzen, was schon seit dem Tag, als er seine Diagnose bekommen hatte, in ihm war: Er wählte den Freitod. Er wollte über seinen Tod bestimmen, so wie er über sein Leben bestimmt hatte. Als Waffennarr beförderte er sich mit einem gezielten Schuss aus dem Leben in den Tod. Wir, mein Sohn, meine Schwester und mein Schwager Karl haben diese Entscheidung mitgetragen.

Innerhalb von zwei Monaten hatten wir unsere Eltern verloren.

Zurück blieben traumatisierte und gelähmte Angehörige. Menschen, die jeder für sich den Weg gingen, diese Erlebnisse zu verarbeiten. Ich hatte eine Inspiration:

Ich schreibe ein Buch darüber!

Damals, tief verletzt und mich von der Welt verraten gefühlt, hatte ich eher die Gedanken eines Racheengels, dessen Feder zum Schwert wird. Ich verdammte den Krieg, die Ärzte, das Schicksal und alle an diesem Unglück beteiligten Menschen. Für mehrere Jahre bin ich vor Menschen geflohen, fand Trost und Kraft in der Einsamkeit…

Mein Plan lag dann erstmal auf Eis, denn ich erkrankte selbst an den Spätfolgen dieser Erlebnisse und meiner Lebens-Sackgasse. Über ein Jahr schwebte ich zwischen Leben und Tod. Der Gevatter impfte mir seine ganze Sehnsucht ein und zog mich in seinen Sog, aus dem ich kaum entrinnen wollte. Er versprach mir den ewigen Frieden, und das fühlte sich nach der ganzen Kämpferei so gut an…

Doch dann traf ich eine Entscheidung, kehrte ins Leben zurück und absolvierte Jahre später eine Hospizausbildung. Die Buch-Idee blieb, Notizen sammelten sich an, während ich meinem Tagwerk als Galerieleiterin nachging und ehrenamtlich Sterbende auf ihrer letzten Reise begleitete. Ich dachte über mein Leben nach, entwickelte peu à peu die Vision für mein glückliches, zufriedenes und erfülltes Leben. Viel Zeit zum Denken hatte ich, wenn mich das Leben mal wieder aus der Bann warf. Wie der Sturz vom Pferd, bei dem ich mir den Lendenwirbel brach und gar nichts mehr ging. An einem jener Tage spürte ich dem Klang meines Herzens nach, und mein Herz wollte seine Berufung finden.

2004 fand sich meine Berufung

Die erste Stufe war die einer Gedenkrednerin. Wieder tauchte ich ein in Erfahrung und dieses Mal ganz bewusst in die mit dem Ausklang unseres Daseins. Stück für Stück entfaltete sich meine Berufung aus mir heraus, und im Gleichklang dazu begleitete mich über all die Jahre das Buchprojekt. Ich hielt Gedenkreden und entwickelte mich zur Abschiedsgestalterin und Biographin. Mittlerweile habe ich das Leben von über 190 Menschen reflektiert. Meine Sicht von einst änderte sich. Der Racheengel reifte hinein in die Frau, die ihre Berufung lebt und ihren Expertenstatus aufbaut. Ich erkannte an meinen zurückliegenden Schicksalsschlägen und in der Auseinandersetzung mit den Menschen, die mir das Schicksal auf den Weg sandte: Abschied nehmen gehört zum Leben. Dann war er auf einmal da, der Buchtitel.

„Kunstvoll Abschied nehmen – vom Sterben im Leben und im Tode.“

Das Buch nahm Gestalt an. Mein Fokus lag anfangs darauf, über kunstvolles Abschiednehmen am Lebensende zu berichten. Ich wollte aufbauend auf meinen Erfahrungen Hinweise geben, wie wir für das Lebensende vorsorgen und das Abschiedsfest persönlich gestalten können. In meinem Buch wollte ich meine privaten und beruflichen Erkenntnisse als Betroffene, Angehörige und als Begleiterin in der Hospizarbeit mit den Erfahrungen aus Abschiedsgestaltungen und Biographien verweben.

Doch je länger ich mich mit dem Vorhaben beschäftigte, umso mehr verschob sich mein Blickwinkel und gelangte aus der einseitigen Betrachtung mit dem Ausklang unseres Daseins in die Waage zwischen Lebens- und Abschiedsgestaltung. Dergestalt sollte es ein Lebensbuch werden, das all jenen Menschen, die sich bewusst mit ihrem Leben und Sterben auseinandersetzen und dies gestalten wollen, ergebnisoffn zu Seite steht. Aber auch für jene Zeitgenossen, die andere Menschen beim Sterben begleiten oder deren Abschied gestalten. Die Grande Dame der Sterbeforschung, Elisabeth Kübler-Ross, beschrieb die Herangehensweise, im Sterben fürs Leben geboren zu werden, so:

Der Schüssel zum Tod öffnet die Tür zum  Leben

Meine Vision für mein Herzensprojekt verdichtete sich: Ich will mit meinem Buch den geneigten Lesern einen Schlüssel in die Hand geben, der die Tür zu seinem oder ihrem Tod öffnet. Ich wünsche mir „Aha!“-Erlebnisse bei den Lesern und dass es ihnen wie Schuppen von den Augen fällt. So wie es einst Saulus geschah, als er Paulus wurde.  Mit meinen ganzen Erfahrungen setze ich meine Feder dafür ein, die Leser erkennen zu lassen, dass Tod weder ein abstraktes noch ein zukünftiges Ereignis ist. Sondern Erfahrungen, die wir in jedem verloschenen Augenblick, in jeder vergangenen Stunde und in jedem sich neigenden Tag finden.

Dass der Tod sich in unseren zu Ende gegangenen, sowie in unseren ungelebten Beziehungen und Träumen offenbart. Aber auch in der Beendigung eines Arbeitsverhältnisses, im Scheitern einer Aufgabe und Beziehungen, in den Toden von Menschen, die uns nahe stehen und vielen Ereignissen unseres täglichen Lebens. Das Buch sollte, so überlegte ich weiter, den Lesern die Augen dafür öffnen, dass allein unsere geistige Einstellung darüber bestimmt, ob wir diese Erlebnisse als nur leidvoll erleben, sie daher verdrängen und gleichzeitig an ihnen festhalten. So wie ich es bei meinen Eltern und bei mir selbst lange Jahre erlebt hatte…

Oder ob wir den Schmerz in uns wahr- und annehmen,

durch ihn hindurchgehen, ihn dadurch loslassen und eines Tages befreit in dem Licht eines neuen Tages erwachen. Nur durch das Schließen alter Türen ist es möglich, sich neuen Entwicklungen zu öffnen und den Grad unserer Bewusstheit zu steigern. Aus diesen Gedanken heraus wünschte ich mir, mein Buch möge bei den Lesern die Erkenntnis reifen lassen, dass die Beschäftigung mit der Begrenzung unseres körperlichen Daseins, unserer Vorsorge und der Gestaltung des Lebensendes eigentlich eine Beschäftigung mit unserem Leben ist. Innere Arbeit, die die Leser zu sich selbst und zu dem, was für sie ein erfülltes Dasein ausmacht, führt. Teil des optimistischen Umganges mit dem eigenen Lebensende sollte die Beschäftigung mit den vorherrschenden Glaubensmustern sein. Gedankenkonstrukte, die aus den vorangegangenen Erfahrungen mit diesem Thema und den möglicherweise daraus resultierenden Unsicherheiten bestehen. Darauf kam ich, weil ich in meinem Unternehmer-Alltag stetig erfahre, dass die Menschen oft so sterben, wie sie es

„vorausgedacht und gewünscht“

hatten. Im positiven wie im negativen Sinne. Während ich an meinem Gedankenkonstrukt feilte, schenkte mir eine Lektorin in der damaligen Verlagsfindungsphase ein wunderbares Bild. Sie sagte:

„Schreiben Sie einen Rat-Geber, der die Leute an die Hand nimmt und durch das schwierige Terrain Ihres Themas führt.“

300 leere Seiten und viele Fragen

Ich hatte eine Unzahl von Notizen, Geschichten, Gedanken… aber ansonsten fehlte es mir noch an der Idee, wie sich auf 300 leeren Seiten diese Textfragmente, Hinweise, Überlegungen, Wünsche, Einsichten und Erfahrungen zu einem hilfreichen Wegweiser verweben sollten. Ich fragte mich und zweifelte stark daran, ob es mir gelingt, Menschen dazu zu bewegen, hinzuschauen und die bisher unbeachtete Tür zu öffnen. Mit dieser Frage stellten sich mir weitere:

Wie kommuniziere ich, dass die Hinwendung zu dem, was eigentlich ungute Gefühle in uns auslöst, wertvoll und bereichernd ist?

Wie bringe ich die verwobenen Zusammenhänge zwischen Leben, Sterben und dem Tod auf den Punkt und dem Leser praxisorientiert nahe?

Weiß in unserem hochtechnisierten Land überhaupt noch jemand, was es bedeutet, auf natürliche Weise zu sterben?

Was kann ich tun, damit der interessierte Leser aus der Hinwendung zu dem, was ihm das Leben als Erfahrung spiegelt und möglicherweise Unsicherheiten für den eigenen Abschied zurücklässt, bei sich selbst ankommt und Angst in Vertrauen verwandelt?

Welche Möglichkeiten und Themen der Patientenverfügung bespreche ich, damit die Leser daraus nachhaltig für sich schöpfen können?

Wie gelingt es mir, zu vermitteln, welche Kraft in Symbolen und Ritualen liegt?

Welche Facetten machen eine persönliche Abschiedsfeier aus?

Fragen über Fragen.

Ein schemenhaftes Bild wird zur klaren Vorstellung

Mit der Zeit formte sich aus einem schemenhaften Bild eine klare Vorstellung, die weiter alles anzog, was ich brauchte. Aufbauend auf dem, was ich bereits wusste, wurden mir gute Gedanken, wie die vom

„ästhetischen Sterben mit Lachen und Meditation“

geschenkt. Eine Ungeheuerlichkeit in unserem vom Christentum geprägten Kulturkreis, in dem Sterben zumeist leidvoll ist. Mittlerweile waren einige Jahre vergangen. Viele Fachleute ließen mich in all den Jahren an ihrem Sachwissen teilhaben. Freunde und Geschäftspartner standen mir Rede und Antwort. Mir fielen Bücher, Zeitungen und Zeitschriften in die Hände, deren Botschaften mein Projekt wie Puzzlesteine bereicherten. Nachschlagewerke in Print und Online wurden zur Fundgrube meiner Inspiration. Meine Intuition führte mich, je stärker ich ihren Hinweisen vertraute. Immer häufiger begegneten mir Menschen, die sagten:

„Wer sein Leben plant, kann auch seinen Abschied planen.“

Das machte mir Mut, der allerdings etwas durch eine Statistik gedämpft wurde, die ich fand. Sie dokumentierte die Vorstellungen der Deutschen. Demnach wünschen sich 95% der Deutschen, zu Hause zu sterben. Tatsächlich versterben in Deutschland 70% aller Bürger dieses Staates im Krankenhaus. Würde es mir gelingen, mit meinem Buch daran etwas zu verändern? Der Kommentator, also mein Verstand, posaunte anfänglich lautstark:

„Vergiss es. Das ist unmöglich!“

Während meine innere Stimme raunte:

„Du hast das Zeug dazu.“

Eines Tages bekam ich von der weißen Königin aus „Alice im Wunderland“ in Form eines Dialoges, den sie mit der Heldin führte, Unterstützung.

Alice sagt: „Etwas Unmögliches zu glauben, ist unmöglich.“

Worauf die Königin antwortet: „Dir fehlt einfach die Übung“ und dann ergänzt: „In deinem Alter habe ich täglich eine halbe Stunde darauf verwendet, zu üben, an Unmögliches zu glauben. Zuzeiten habe ich vor dem Frühstück bereits bis zu sechs unmögliche Dinge geglaubt.“

Wenn mir mal wieder mein Glauben abhanden zu kommen drohte, dann holte ich diese Eingebung hervor und machte weiter. Meine Mühen wurden mit immer neuen Hinweisen belohnt. Wie etwa mit dem, dass es seit 2007 ein Gesetz gibt, dass den Wunsch, zu Hause zu sterben, auf ein juristisches Fundament stellt.

Im Spannungsbogen zwischen Sterben leben und Abschied zelebrieren

Derart motiviert und unterstützt, meisterte ich den Spagat zwischen der momentan gelebten Realität in unserem Land und dem Wunsch, interessierten Menschen eine Wegbeschreibung und Handwerkszeug für ihre innere Auseinandersetzung mitzugeben. 2011 war das Erst-Manuskript fertig. Anschaulich beschrieben, führe ich die Leser behutsam durch Leben, Sterben, Tod und komme mit denen, die daran glauben, auch wieder im Leben an. Beispielhaft untermauere ich fortlaufend meine Aussagen. Diese Verknüpfung soll den Lesern helfen, essenzielle Themen unseres Daseins leichter zu verstehen und bei den eigenen Antworten anzukommen. Im Spannungsbogen zwischen Sterben leben und Abschied zelebrieren platzieren sich außerdem die Themen: Sinn erkennen, Willen bekunden, sanft ruhen und reisen. Angefangen mit der Bewusstmachung des ersten Abschieds in unserem Dasein, jenem Moment, indem wir vom Leib unserer Mütter abgenabelt werden, über die großen und kleinen Abschiede des Lebens; hin zu der Beschäftigung mit dem Ziel, Furchtlosigkeit anzustreben und Lebensaufgaben zu erkennen.

-> wenn Sie wissen möchten, wie es weiter geht, dann folgen Sie diesem Link, um den zweiten Teil dieses Blogs zu lesen

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7 Antworten auf Ich will sterben!

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  • Behrouz sagt:

    Was für ein bewegendes Leben Irene.

    Ich denke, der Tod von Ihrern Eltern kurz nach einander hat Sie sehr geprägt und Ihr Vater hat recht:

    „Irene, mache mehr aus deiner Schreiberei. Du schreibst brillant.“

    Behrouz

    • BiographinIW sagt:

      Hallo, Behrouz,

      vielen Dank für Ihr Feedback. Ja, das stimmt. Der Tod meiner Eltern und meine eigene Lebens-Sackgasse zum damaligen Zeitpunkt waren wie Sterben im Leben.
      Ein Sterben, in dem alles Alte und Überholte in mir in den Kessel der Vergänglichkeit kam, um neuen Leben Raum zu geben. Das Leben meiner Eltern war mir Vorbild, heraus zu finden, was ich wirklich will im Leben.

      Danke, dass Sie meinem Vater Recht geben, mit der brillanten Schreibe. Seither mache ichmehr daraus und gehe immer tiefer in menschliche Schicksale hinein, um sie zu beschreiben. Das Resulat bekomme ich gerade in vielen Rückkopplungen auf eine Firmenchronik hin: Einer schreibt:

      „Lieber Jan,

      ich habe gerade „Euer“ Buch zu Ende gelesen.
      Gestern habe ich damit begonnen. Es hat mich – trotz intensivem Familienleben zu Ostern – unglaublich
      gefesselt und nicht losgelassen.
      Dieses Buch ist unglaublich interessant, fesselnd und faszinierend.
      Ich kann Eurer ganzen Familie zu Eurem unglaublichen Erfolg und dieser so persönlichen und offenen Dokumentation
      nur herzlich gratulieren. Großartig!

      Ich wünsche Dir und Deiner Familie ein frohes Osterfest und einige ruhige Tage. […]“

      Mein Wunsch ist es, dass die Menschen beim Lesen von „Kunstvoll Abschied nehmen – vom Sterben im Leben und im Tode“ ähnliche Rezensionen schreiben.

      Ihnen einen schönen Ostermontag.

      Biographin Irene Wahle

  • Ramona Zschernitz sagt:

    Liebe Irene,

    Ich habe immer Hochachtung vor deinen Eltern gehabt, sie waren starke Persönlichkeiten. Besonders deiner Mama stand ich immer nah, die Zeit im „Teufelsbad“ hat mir viel gegeben. Ich erinnere mich sehr gern daran. Und es sind die kleinen Dinge im Leben, die so kostbar sind.

    Herzliche Grüße
    Ramona

  • Christina sagt:

    Liebe Irene,

    Ich schließe mich sehr gerne meinen Vorrednern an. Ihr kurzer Auszug bietet dem Leser einen kleinen Einblick in Ihre Welten und wie genau es dazu kam – selbst zu schreiben..

    Durch schwere Krankeit mit 6 Jahren und das heranwachsen in der ehemaligen DDR als Hochsensible mit einer gewissen Nah-Tod-Erfahrung – fühle ich mich sehr nah an den Gedanken ihrer Mutter.

    Selbst hatte ich auch schon diese Gedanken. Das Thema Tod stimmt viele Menschen traurig und stürzt viele untröstlich und tiefe Trauer…

    Durch meine Arbeit als Betreuungskraft für Demenz+Alzheimerpatienten habe ich Sterbende und Sterbeprozesse begleitet.

    Auch habe ich mit Personen gesprochen, die „noch“ nicht von dieser Erkrankung betroffen waren und mir Geschichten erzählten – aus der Zeit des Krieges – die mich bis tief in mein Mark trafen. Frauen, die unfassbares Leid erfahren hatten und sich davon nicht bezwingen lassen haben.

    Ganz im Gegenteil, sie erzählten mir ihre Geschichte aus der Dritten Person heraus. Wohl auch um sich gefühlt von dem eigenen Erlebten und Erfahren abzutrennen.

    Das war eine tief greifende Erfahrung, die mich heute noch beschäftigt und bewegt.

    Das Erlebte niederzuschreiben und noch einmal ausdrücklich darüber zu Schreiben, dass Sterbende oft nicht bereuen was Sie getan haben oder ob es falsch oder richtig war, sondern dass diese Menschen oft bereuen etwas nicht getan zu haben…

    „ACH – HÄTTE ICH NUR/MAL…“

    Für mich selbst habe ich danach beschlossen, alles zu tun, was ich tun und Leben möchte – soweit ich es kann und mir gelingt.

    Selbst, wenn es diesbezüglich Kritiker gibt (mehr als ausreichend) oder Menschen, die meine Sicht+Handlungsweisen nicht nachvollziehen können…

    Es ist mir persönlich egal geworden, denn ich darf meine Fragen am Ende meines Lebens selbst beantworten und nicht „die ANDEREN.“

    Ein spannendes Thema, dass mich schon von Berufs wegen her interessiert.

    Vielen Dank für den kurzen Einblick dafür Irene.

    Liebe Grüße Tina

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