Fritz Roth der streitbare Ritter und kreativer Schöpfer für unsereTrauerkultur ist tot

„Der Tod ist groß, wir sind die Seinen lachenden Munds, wenn wir uns mitten im Leben meinen, wagt er zu weinen mitten in uns.“ Fritz Roth mochte wie ich die Gedanken des großen Poeten des Todes, Rainer Maria Rilke. Und dieser Satz mag dem Bergisch – Gladbacher Bestatter möglicherweise in die Gedanken gekommen sein, als er Anfang diesen Jahres aus einer Routineuntersuchung heraus, von seiner Erkrankung erfuhr. Er war einer …

der die Dinge anging. Der seine weiche Seite zeigen und sagen konnte, dass ihn diese Nachricht erst einmal umgehauen hat. Der aber dann auch diese Chance ergriff, um am eigenen Beispiel einen bewussten Umgang mit sterben und Tod zu zeigen. Er sagte beispielsweise in einem Interview mit der Zeitschrift, Christ und die Welt (Ausgabe 39/2012)

„Ich empfinde es als Gnade, dass es mir trotz der schweren Chemo noch so gut geht und ich mein Anliegen öffentlich machen kann. Wenn es mir in ein paar Wochen dreckig gehen sollte, möchte ich auch öffentlich erklären dürfen: ‚Ich habe Angst, ich bin kein Held, ich brauche Menschen, die mich aushalten.'“

Er war einer, „Der dem Tod ins Gesicht lachte“, wie eine Kölner Zeitschrift titulierte und sein Leben trotz allem, bis zum letzten Atemzug auskostete.
Ein Querdenker, der daran interessiert war, an der Entwicklung einer lebendigen, mündigen und sinnlichen Gesellschaft mitzuarbeiten. Dazu gehörte für ihn auch, dass weder Gesetzgeber und Gesellschaft Menschen vorschreiben können, wie sie mit dem Tod umgehen und wie sie zu trauern haben. Was erlaubt ist und was tabu. Das hat mich immer beeindruckt. Aber anstatt nur einzufordern, krempelte er die Ärmel hoch und schuf mit Unterstützung vieler Beteiligter ein bisher einzigartiges Projekt: „Die Gärten der Bestattung“ und das „Haus der menschlichen Begegnung.“

Rose, Foto privat

Trauer ist Liebe
Das war sein Credo und auch, dass Trauer eine Heimat braucht. Und mit dieser Essenz verband sich für ihn ein natürlicher Umgang mit einem essenziellen Teil unseres Lebens. Immer wieder holte er das schöne Bild der Liebenden hervor und hielt uns mit diesem Vergleich einen Spiegel vor. Einen Spiegel, den wir nutzen können, um hinein zu sehen und zu sagen: „Ja, wenn wir jemanden lieben, dann wollen wir ihn berühren. Ihm Gutes tun. Bei ihm sein und ihm oder ihr unsere Beweise der Liebe zeigen. Und in diesem Sinne verstehen wir ganz natürlich, was er, der sanfte Begleiter der Trauernden,  damit meinte: „Trauer ist Liebe“
Seine Grundhaltung war Fundament seiner Arbeit in der Trauerakademie und im Haus der menschlichen Begleitung, wie wohl sicher in seinem ganzen Sein.
Er war unermüdlicher Streiter, der uns Menschen für diese Thematik wachrüttelte.
Ein Mensch, der mit den ritterlichen Tugenden für sein Thema, den Tod, kämpfte und uns allen damit Mut machte, hinzuschauen. Der Trauerenden unerschöpflich zur Seite stand, um sie zu unterstützen ihren Verlust tragbarer und vor allem selbst mitzugestalten. Der ihnen kreative Wege durch die Trauer baute, die ihnen zeigten:

„Ja, so wie es Ihnen geht, so geht es uns allen“

Er war aber auch ausgebildeter Trauerbegleiter, der die Menschen aninmierte, ihre Toten selbst zu waschen, sie anzuziehen. Urnen selbst zu gestalten und auch das Grab. In seinen Gärten der Bestattung darf fast alles gemacht werden. Der Kreativität freien Lauf gelassen werden und nur wenige Beschränkungen gibt es für die Urnengräber. Beispielsweise wird auf Plaste und Elaste verzichtet und zumindest der Name des Verstorbenen muss erwähnt werden. Als Puzzel der Erinnerung.
Ein Ideenschmied, dessen Fluss von Inspirationen nie versiegte.
Ein Chef, der Künstler in sein Haus einlud, damit sie sich inspirieren um mit den Mitteln der Kunst Tod und Sterben sichtbar und fühlbar zu machen. Der Schüler einlud, sich einzulassen. Der es durch seine zugewandte Art bei vielen Menschen schaffte, mulmige Gefühle und Berührungsängste zu aufzulösen. Der Jugendliche, die noch offen für den Tod sind, ganz nah heranbrachte und ihnen Erfahrungen schenkte, die sie sicherlich nie vergessen werden.
Fritz Roth und die Kunst standen sich nah. Er lud Kreative in sein Haus ein. Die Nähe des Gevatters sollte inspirieren und zu einer bewussten Auseinandersetzung beitragen.
Ein Macher, dem es gelungen ist, den Tod wieder Teil des Lebens werden zu lassen.

Er lies Prominente „Ihren Koffer für die letzte Reise packen“
und machte daraus eine Wanderausstellung. Seiner war auch schon gepackt und darin befand sich, wie Weltonline am 14.12.2012 schreibt:

„Fotos von seiner Frau und von David und Hanna, seinen beiden Kindern. Und Musik, auf jeden Fall Musik. Die fünfte Sinfonie von Gustav Mahler. Was von Hubert von Goisern, dem Alpenjodler.[ … ] Wenn dann noch Platz in seinem Koffer sei, wolle er eine Flasche Wein einstecken, und zwar einen roten, edel und schwer, das war ihm wichtig. ‚Der hat so was Warmes‘, sagte Roth, ‚das macht es einem leicht, sich fallen zu lassen.'“

Neben den Koffern schrieb er Bücher zum Thema und gab seine  Denkanstösse heraus, die er in regelmässigen Abständen verschickte. Auch während seiner Krankheit.  Der letzte erreichte mich am 13. Dezember 2012 …

Sehr geehrte Frau Irene Wahle,

für unser Familienunternehmen waren die vergangenen Monate nicht einfach. Meine Krebserkrankung hat vieles verändert und meine Familie und ich mussten einige Entscheidungen treffen, um unser Unternehmen auf die Zukunft vorzubereiten. Die Firma wird in sicherem Fahrwasser bleiben. Mein Lebenswerk wird weitergeführt, was mich sehr glücklich macht.
Unser „Haus der menschlichen Begleitung“, in dem Trauer und Abschied eine Heimat haben, wurde auch in diesem Jahr wieder von vielen Menschen besucht und in unserer „Privaten Trauerakademie“ konnten wir 2012 wieder beeindruckende und inspirierende Lesungen, Vorträge und Konzerte veranstalten. Ich hoffe, dass uns auch im kommenden Jahr wieder viele Menschen ihr Vertrauen schenken!
In den letzten Wochen und Monaten haben mich viele Briefe und Mails mit Genesungswünschen erreicht. Dafür möchte ich mich ganz herzlich bedanken. All die lieben Zeilen haben mir in dieser für mich sehr schweren Zeit Kraft und Mut gegeben, mit meiner Krankheit offen umzugehen. Aus der eigenen Situation und der Auseinandersetzung mit dem eigenen Sterben konnte ich der Öffentlichkeit noch einmal einen Impuls geben und Sterben und Sterbehilfe zum Thema machen. Aus diesen Gedanken ist auch meine diesjährige Weihnachtskarte entstanden.
Allen Freunden, Verwandten, Bekannten und Geschäftspartnern wünsche ich ein schönes Weihnachtsfest und einen besinnlichen Übergang ins neue Jahr. Das Jahr 2012 geht zu Ende, das Jahr 2013 steht am Anfang. Meine Familie und ich wünschen Ihnen ein Jahr mit sinnvollem Leben.
 
Ihr Fritz Roth
 
PS. Wie jedes Jahr haben wir unsere Weihnachtskarte ins Netz gestellt. Sollten Sie diese im Original wünschen, schicken Sie uns eine Mail und wir senden Ihnen die Karte zu: /weihnachten2012.aspx

In der Nacht vor diesem Tag war Fritz Roth verstorben. Seine Familie und seine Mitarbeiter schreiben auf der Website des Unternehmens:

„Fritz Roth ist am Donnerstag gestorben. Er konnte bis zu seinem letzten Atemzug selbstbestimmt leben, wie er es sich immer gewünscht hat.
Als es Zeit war loszulassen, saß seine Familie an seinem Sterbebett. Viele Freunde und Verwandte waren in Gedanken bei ihm – und er war bei ihnen.
Sein im Tode ruhendes Gesicht strahlt Zufriedenheit aus. Zufriedenheit über ein intensives, sinnliches, glückliches, ein großartiges Leben.
‚Das Leben ist ein Geschenk‘ hat Fritz Roth immer gesagt und er wußte seine Zeit zu nutzen. Ein wunderbares Leben ist zu Ende.
Wir trauern. Wer sich von ihm verabschieden möchte, hat dazu Gelegenheit in unserem ‚Haus der menschlichen Begleitung‘ Pütz-Roth, Kürtener Str. 10, 51465 Bergisch Gladbach, Tel. 02202-93580. Den Termin der Trauerfeier geben wir bald bekannt.“

 

Fritz Roth, Foto Presse Fritz Roth Bestattungen

Lieber Fritz Roth,
ich danke Ihnen, dass ich Sie kennen lernen durfte, mich von Ihnen für meinen Weg inspirieren lassen und von Ihnen lernen durfte. Ich habe Ihnen die Daumen gehalten, dass es mit der Reise auf die Seidenstraße noch etwas geworden ist und das Sie neben der vielen Arbeit Zeit gefunden haben, dass zu leben, was noch in Ihnen war.  Zeit, Ihr Leben Revue passieren zu lassen … Sie sagten dazu in dem Bericht von Christ und die Welt: „Ich kämpfe weiter für den Tod… “

„Ich habe mir zum Beispiel zu viele Posten aufgebürdet, ich hatte zu wenig Zeit für meine Familie. Trotzdem würde ich nichts grundsätzlich anders machen, wenn ich mein Leben noch einmal vor mir hätte. Die vielen Ehrenämter waren zu ihrer Zeit wichtig, jetzt habe ich sie nach der Diagnose aufgegeben, weil ich jetzt meine Zeit wichtigeren Anliegen widmen will. Und da ist vor allem meine Familie, die mir eigentlich mein Leben lang ermöglicht hat, das zu tun, was ich gerne getan habe.“

Meine Bewunderung für Ihre Reflexionen, für Ihren natürlichen Umgang mit Ihrem Lebensausklang ist mit Ihnen. Aber ich habe  auch großen Respekt wie Sie die Dinge geordnet haben, losgelassen haben von Ämtern, Ihrem Unternehmen, Ihrer Familie und an jenem Donnerstag von sich selbst. Im Kreise Ihrer Lieben, ganz so, wie Sie es sich gewünscht haben.  Sie sind jemand der bis in die letzte Faser lebt, was er predigt und sie erfüllen damit Luthers weisen Gedanken:

„Wir predigen das am Besten, was wir am meisten zu lernen haben.“

Ich wünsche Ihnen, dass Ihre Abschiedsfeier genauso stattfindet, wie Sie sich das wünschten.  Ich glaube unter anderem mit fünf Stunden klassischer Musik. Mahlers fünfte Sinfonie soll dabei sein…

Abschließend möchte ich Sie mit einer Sequenz aus unserem Interview für mein Buchprojekt – Kunstvoll Abschied nehmen – vom Sterben im Leben und im Tode“ zu Wort kommen lassen.  Sie haben sich für unser Gespräch Zeit genommen, haben hin und wieder minutenlang nachgedacht, um auf meine Fragen über Glauben, den Sinn des Lebens und einige andere zu antworten. Dabei spürte ich hautnah, dass Sie wohl immer darum gerungen haben, authentisch zu sein. Danke für die Bereicherung meines Buchprojektes durch Ihr Mittun und für Ihr Vertrauen in meine Schreibe:

„Für mich ist der Sinn des Lebens mit den Augen meines Herzens und mit meinen kreativen Mittel das Leben zu pflücken.
Meinem Leben kann ich nur Sinn geben, wenn ich  meinem Tod Sinn gebe. Denn für mich hat alles eine Bedeutung. Leben, Sterben und der Tod.
Im Erkennen der Begrenzung des Daseins werde ich für das Leben wach. Dadurch erfahre ich Sinn und werde zum Sinnspender.“

Eine lichtvolle Reise in neue Dimensionen von Erfahrungswelten…

 

Weiterführende Links
Xing- Profil Fritz Roth
Bestattungen Pütz-Roth
Ein Bestatter voller Lebenshunger

Ich kämpfe weiter für den Tod

Abschied von Fritz Roth oder Trauer ist Liebe. Ein Fest das das Leben eines Menschen zelebriert
Aufzeichnung während des Gottesdienstes für Fritz Roth am Samstag, dem 29. Dezember 2012 im Altenberger Dom

1/7 Purple Schulz:
Stilles Gedenken und ein Lied über seinen letzten Koffer …

2/7David Roth, Sohn:
Trauer braucht Gemeinschaft und Einladung an alle zum Leichenschmaus.

3/7 Wolfgang Bosbach, MdB:
Stilles Gedenken und eine Rede über die Streicheileinheiten der Seele

4/7 Rainer Pause, Kabarettist:
So war das nicht abgemacht oder … über Probeliegen im Sarg

5/7 Otmar Baumberger
stv. Superintendent Evangelische Kirche. Predigt über einen, der aufrecht sterben wollte
(Superintendent: lat. superintendens, wörtlich „Aufseher“, Lehnübersetzung von griechisch ἐπίσκοπος episkopos) ist ein kirchliches Amt. – siehe auch http://de.wikipedia.org/wiki/Superintendent

6/7 Norber Hörter
Kreisdechant … Predigt (Der Dekan oder Dechant mit Erstsilbenbetonung (von lat. decem, zehn) ist in der römisch-katholischen Kirche der Vorsteher einer Gruppe von Priestern – siehe auch http://de.wikipedia.org/wiki/Dechant)

7/7 Zusammenfassung der Abschiedsfeier

Privatfriedhof in Bergisch Gladbach
Zuhause zwischen Grabsteinen

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Irene Wahle ist seit 2004 freiberuflich als Biographin im deutschsprachigen Raum tätig. Sie schreibt und produziert in Kooperation mit ausgewählten Netzwerkpartnern kostbar gestaltete Biographien, Lebens-Zwischen-Bilanzen und Firmenchroniken. 2008 wurde sie für die von ihr geschriebenen Lebenserinnerungen: „Kandelaber-Heckmann “ mit dem 1. „Deutschen Biographiepreis“ ausgezeichnet. BiographinIW ist als Expertin für Lebens – und Unternehmensbücher ins „Netzwerk der Besten | Großer Preis des Mittelstands“ aufgenommen worden. Mit ihrer Arbeit setzt sich Irene Wahle dafür ein, Leben zu klären, Erinnerungen als wichtigen Bestandteil unserer Kulturgeschichte zu bewahren, Lebensleistungen zu würdigen und Visionen zu entwickeln. Tel. +49 381 68 63 874 biographie[at]irene-wahle.de

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