Abschied von einer großen Seele

Gemeinsam mit einer guten Freundin sah ich mir einen bewegenden Film
über den Abschied von Dadi Prakashmani, an. Die Verstorbene war eine der weisen Leiterinnen einer spirituellen Gemeinschaft, deren „Kopf“ Dadi Janki, im Rat der zehn Weisen dieser Welt sitzt. Der Rat ist der Unesco angeschlossen
Während des Filmes konnte ich im Nachklang miterleben, wie mehrere tausend Menschen aller Kontinente, Kulturen und Religionen Dadi Ma, wie die Leiterin liebevoll von ihren Anhängern genannt wurde,  das letzte Geleit gaben.

Die Menschen, die dieser Religion angehören, glauben an Wiedergeburt der Seele. Sie sehen ihre wesentliche Lebensaufgabe darin, an ihrem Selbst zu arbeiten. Dazu gehören das tägliche geistige Studium, die Meditation und der Dienst zum Wohle der Gemeinschaft. Während der Film mit wunderschönen musikalischen und landschaftlichen Sequenzen anlief, erzählte meine Freundin, dass Dadi Ma mehr als siebzig Jahre ihrem spirituellen Pfad gefolgt war. Dabei streng den Grundprinzipien dieser Lehre folgte.

Lilie, Foto privat

Grundprinzipien des Lebens
Sie lauteten in etwa:

–  Alles, was du gibst, wird zu dir zurückkommen.
–  Wenn du Liebe willst, dann gib Liebe.
–  Wenn du glücklich sein möchtest, gib Glück
–  Wenn du frei sein willst, lass deine Erwartungen los und mache dich von all dem frei, was dich belastet.“

Während auf dem Bildschirm die Bilder der letzten Tage und Stunden dieser großen Frau vorbeizogen, erzählte mir meine Freundin von den Begegnungen der Dadi mit anderen religiösen Häuptern, wie etwa der Mutter Theresa, dem Dalai Lama oder Mrs. Perez de Cuellar. Als meine Freundin geendet hatte, wandten wir uns dem Film zu.

Einblicke in eine bewegende Trauerzeremonie
In dem Beitrag wurden einerseits die Trauerzeremonien dargestellt und andererseits Rückblicke aus dem Leben von Dadi Ma eingeblendet:
Sie als eine der Jüngerinnen an der Seite des Religionsgründers in den dreißiger Jahren des letzten Jahrhunderts.  Die Dadi als gereifte Frau, versunken in der täglichen geistigen Kontemplation. Die große Mutter in der Begegnung mit Kindern und Erwachsenen. Dann die Dadi als betagte Frau. Ihre Erscheinung berührte mich in ihrer runden Fülle, die mich an archaische Plastiken unserer Urahnen erinnerte.

„Sie war ein Mensch voller Weisheit, in sichtbarer und spürbarer Harmonie mit sich und ihrer Umwelt“,

kommentierte meine Freundin eine der Großaufnahmen des Gesichtes der Brahmanin. In die Betrachtung dieser Bilder versunken, spürte ich, wie der leuchtende Funken im Inneren dieser Frau strahlend Leinwand, Zeit und Raum überwand und mein Herz rührte, etwas in mir anzündete.
Meine Freundin meinte ganz in Gedanken versunken:

Sie war nie Mutter und hatte doch viele Kinder
Wegbegleiter reflektierten indes Dadi Ma Leben in liebevollen und dankbaren Worten. Ein Satz von Albert Schweitzer fiel mir dabei ein:

„Das einzige was bleibt, wenn wir gegangen sind, sind die Spuren von Liebe, die wir zurücklassen.“

Eine weitere Dadi, so wie die Leiterinnen wohl genannt werden, kam zu Wort. Worte, die lange in mir nachhallten. Sie meinte:

„Wir stehen auf der Schwelle eines sich global wandelnden Bewusstseins.“

Und das war auch für die verstorbene Dadi Ma vollkommen klar gewesen, wie mir meine Freundinberichtete.
Die Brahmanin im Film fuhr indes fort und sagte:

 “Weltweit findet ein Erwachen des menschlichen Geistes statt. Der spirituell (geistig) bewusste Mensch ist in der Verbindung mit der großen universalen Kraft.“

Danach wandte sich das Geschehen wieder dem persönlichen Abschiedsfest für Dadi Ma zu. Der dienstbare Geist der Leiterin, eine Frau in den Siebzigern, schilderte die letzten Tage der großen Seele. Sie berichtete davon, dass sich Dadi Mas Zustand stetig verschlechterte und das sie irgendwann nur noch mit der Unterstützung eines Gerätes atmen konnte.
Stille breitet sich dann für Momente wie ein klarer Bergsee über den Bildschirm aus.  Wir sehen die alte Frau, die sich ihrer „Chefin“ zutiefst verbunden fühlte und trotz allem Wissens um die Wiedergeburt der Seele sichtlich bewegt um Worte ringt und dann das unvermeidliche ausspricht.

„Die Ärzte haben ihr und uns empfohlen, sie zurück nach Hause zu holen. Diese Empfehlungen haben sie und wir angenommen.“

Die Kamera schwenkte dann in den hell und freundlich gestalteten Abschiedsraum der Dadi.

Dort sterben, wo sie gelebt und geliebt hat
„Auch wenn die Menschen an die Wiedergeburt der Seele glauben, geben sie sich der Trauer hin“, denke ich “ und das ist auch wichtig, denn durch die Trauer muss man hindurch, um wieder ans Licht zu kommen“, vollendet sich mein Gedankengang. Dadi Ma verstarb dort, wo sie gelebt und gewirkt hatte. Vertraute Menschen hielten ihre Hand. Solange bis ein sanft hörbarer letzter Atemzug vom Ende der großen Mutter kündete.  Ihre Gesichtszüge entspannten sich und ein letztes Lächeln umspielte ihre Lippen.  Dann wurde die alte Frau von ihrem guten Geist gewaschen und gesalbt.

Kanchenjunga, Foto gayyaq- pixelio

Ein Land in dem der Tod Teil des Lebens ist
Dann geschah etwas berührendes. Der Körper der großen Mutter wurde auf Eis gelegt, das sich in einem gläsernen Sarg befand. Die Frauen bedeckten ihre sterbliche Hülle mit zarten, farbigen Blütenblättern und schmückten sie mit Sandelholzketten. Dann wurde das durchsichtige letzte Reisegefährt von starken Männern aufgenommen und über das riesige Gelände des Hauptsitzes der Organisation in den Bergen von Radjastan getragen. Sie besuchten all jene Orte, an denen die Dadi gewirkt hatte. Zig Tausend in weiß gekleidete Menschen säumten den Weg und verneigten still und in Ehrfurcht ihr Haupt. Obwohl Betroffenheit die Gesichter der Menschen zeichnete, erfüllte gleichzeitig ein Strahlen die ganze Szenerie. Sicher auch ausgelöst durch die durchgängige weiße Kleidung der Menschen und etwas, was ich nur als überirdische Athmosphäre bezeichnen kann.

Jedes Ende ist ein strahlender Beginn
Abschließend sahen wir den Tag der Einäscherung der sterblichen Hülle von Dadi Ma. Auf dem Anwesen war ein Verbrennungsplatz eingerichtet worden. Menschen über Menschen versammelten sich im großen Rund, um Trauerfeier beizuwohnen.
Mehrere Männer bahrten den Körper der Dadi auf dem vorbereiteten Holzstapel auf. Frauen bedeckten ihn mit duftenden Sandelhölzern und Blumen, bis das Gesicht und Körper dieser großen alten Frau vollkommen davon umhüllt war. Danach wurde flüssiges Ghee auf ihrem letzten Ruhelager ausgegossen. Viele Trauernde steckten als letzten Gruß brennende Sandelholzstäbchen in den Scheiterhaufen.
All diese Maßnahmen sollen einerseits Liebe bekunden und andererseits den Odem, den Gevatter Tod um sich während dieses Verwandlungsprozesses verbreitet, überdecken.
Die Trauernden gehen während des ganzen Verbrennungsprozesses in einigem Abstand in eine stille innere Versenkung, um Dadi Mas Seele beizustehen auf ihrem Weg in ein neues Erdendasein…

Phönix, Foto: hermes57-pixelio

Die Seele, die wie Phönix aus der Asche steigt
Die Menschen dieser und vieler anderer Religionen in Indien glauben, dass es wichtig ist, den Körper zu verbrennen. Denn nur so kann sich die Seele frei entfalten und in ein neues Leben eintreten.  Wir finden diesen Glauben in der Legende vom Phönix, der aus der Asche steigt.
Jener strahlende Vogel, der sich selbst verbrennt, um geläutert wieder aufzuerstehen.

 

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