Das Licht der Gedächtniskirche erleuchtet die Dunkelheit

Diese Stunden, in denen die Gedächtniskirche Berlin wieder einmal trauervolle Berühmtheit erlangen, berühren mich. Gleichzeitig erinnere ich mich an eine Biographie, an der ich über drei Jahre gearbeitet habe. Sie befasste sich mit der Entwicklung des künstlichen Lichts in Europa. Ganz speziell aber mit der Entfaltung des künstlichen Lichts in Berlin. 1678 erstrahlte die erste Laterne an in der Straße „Unter den Linden“ das ursprüngliche Berlin und entriß die damalige Hauptstadt der Preußen der Dunkelheit. Es waren Kriegsveteranen, die jeden Abend kamen, um die leeren Kanister mit Rüböl nach zufüllen und die Laterne wieder zu entzünden.
Licht wie kaum ein anderes Symbol zum Synomym für persönliche Reifungsprozesse, für den Gewinn von Erkenntnissen. Dafür stehen Sprichworte wie:

„Es ist ihm ein Licht aufgegangen“

Licht ist auch ein starkes Gleichnis für die Liebe geworden.

Wir leben in einer polaren Welt. Das bedeutet, eine Welt die von den Gegensätzen lebt. Eines bedingt das andere. Weil es das Licht gibt, kann die Dunkelheit existieren. In der Dunkelheit wird das Licht geboren. Dafür stehen Feste wie Lichtmaß oder Weihnachten. In die Dunkelheit verdrängen wir Menschen, was uns unlieb und verletzt ist in uns. Dunkelheit steht in diesem Sinne für den persönlichen Schatten. Der Mensch, der sich aufmacht sich selbst zu erkennen, sieht, dass er all das, was er vorher in andere projeziert hat wie auf eine Leinwand, er selbst ist. Die Welt der Pole zerteilt sich in Krieg und Frieden; in Liebe und Hass, in Mann und Frau, in schwarz und weiß Denken, in Himmel und Erde und vieles mehr.

Licht ist somit auch ein Symobol für die Bewusstwerdung des Menschen, der mit steigendem Reifegrad seines Bewusstseins die Gegensätze überwindet. Ein Weg der nur erfahren, niemals verstandesmäßig erdiskutiert werden kann. Ein weiter Weg, der über viele Irrtümer, Dellen und Illusionen führt. Das Christentum durchlebte diese Irrtümer im Mittelalter. Verbrannte im Namen Gottes Menschens und rottete alle Menschen aus, die anderen Glaubens waren. Tötete die Frauen, weil sie die Ursünde schlechthin waren, die mit dem Teufel im Bunde waren. Warum sündhaft: weil die dunklen Urgründe der Weiblichkeit für Erkenntnis stehen … vom Baum der Erkenntnis essen. Daszu verführte Eva den Adam. Der Teufel ist der gefallene Engel, der in seinem eigenen Schatten festgezurrt bleibt. Die finsteren Zeiten des Mittelalters und die dunkle Nacht des Geistes wähnte ich bis vor einigen Jahren in der Vergangenheit.

Nun sind es wieder extreme Kräfte eines Glaubens, die die Wahrheit gepachtet zu haben scheinen. Ein kleiner Teil einer Weltreligion, der Millionen Menschen angehören. Sie glauben sich im Besitz der Wahrheit und glauben wie einst wir unser  christliches Abendland, das Gott will, dass andersgläubige Menschen sterben. Es ist ein strafender Gott, ein zorniger Gott den sie da in ihrem Gottesbild nähren. Sie glauben, dass er von ihnen verlangt zu töten und das er dies mit der Einkehr ins ewige Himmelreich beloht. Kurioserweise ist das Himmelreich, das Paradies das Symbol für die EINHEIT allen Seins schlechthin …

Diese Gedanken kamen mir, als ich

Tief betroffen von dem Anschlag in Berlin hörte

Dachte darüber nach, das ich noch vor Tagen dachte:

„Das Thema der Anschläge in Europa hat sich wohl beruhigt. Seit einem halben Jahr ist es still um dieses Thema geworden. Dachte so Gedanken wie: Die Terroristen haben wohl anderes zu tun …

Was für ein fataler Irrtum!

erkannte ich an jenem 20. Dezember, der dunkelsten Nacht, eines Jahres. Diese Nacht ist die dunkelste Stunde, bevor das Licht zurück kehrt.

„Nun ist der Terror auch bei uns angekommen,“ dachte ich und sinnierte weiter: „und das an einer Stelle Berlins, die kaum wie eine andere Stelle Berlins beleuchtet wird! Ein Ort, der Wahrzeichen für Frieden und Versöhnung ist.  Ist dieser Anschlag der Tropfen auf den heißen Stein, der das  Fass zum Überlaufen brachte? Der Menschen bewog zusammen zu stehen und sich zu verbinden. Ihr Licht leuchten zu lassen?“

Berlin ist eine Stadt, die sich Anfang des letzten Jahrhunderts aus 20 Städten verbunden hat. Eine Metropole, in der der Krieg nach Bombardierungen nur Schutt und Asche hinterlassen hat. Eine Stadt, die aussah, als würde sie mit Loren der Trümmer des Krieges abgefahren werden. Wieder waren es Frauen, die sich das Chaos zu eigen machten, die Schutt und Asche sortierten und aufräumten. Auch durch Trümmerfrauen gelang es, dass Berlin aus diesem Chaos auferstand, wie Phönix aus der Asche. In Berlin trafen sich die vier Mächte und teilten sich diese Stadt als Sieger und Besatzer eines verlorenen Krieges auf.

Berlin hielt dieser Herausforderung dann nur noch als geteilte Stadt stand

und der Westteil der Stadt, sollte im ewigen Ringen der Mächte sozialistisch werden. Auch diese Prüfung meisterten Menschen im zusammen wirken der Kräfte in der geschlossenen Einheit. Über eine gewisse Zeit wurde Berlin eine Luftbrücke genährt. Berlin ist ein Ort mit unglaublich vielen Zentren, die in sich die Magie großer Geister,  ungewöhnlicher Architekturen und kunstvollem Licht birgt. Dieser Zauber ist es wohl, der es vollbracht hat, das in den vergangenen 71 Jahre Menschen aus 176 Nationen in die Hauptstadt der Deutschen zogen und diesen Ort zu ihrer Heimat machten.

Eine Stadt, die einst Preußens Glanz und Gloria verkörperte, Großdeutschlands Reichshauptstadt war, trotz aller Einkesselung durch die DDR vierzig Jahre ihr Licht leuchten ließ und nun wieder Haupstadt ist. Eine Stadt voller Gegensätze, voller Licht und Schatten. Trotz allem eine starke Stadt, in der die Menschen und ihre Religionen in friedlichem MITEINANDER ihr Leben leben.

Genau in diesem Geist haben die Berliner diesen Anschlag angenommen … und ich, obwohl in Rostock lebend, verbinde mich mit ihnen

 Ich verbinde mich in Liebe in diesen Stunden

mit den Menschen, die verletzt oder getötet wurden und einen lieben Menschen verloren haben. Der Schock sitzt jedoch besonders tief, weil dieses Mal eine neue Form miteinander Krieg zu führen, so nah ist. Ich liebe Berlin, ihre Menschen und viele besondere Orte dieser Stadt.  Die Gedächtniskirche ist über die Arbeit an der Biographie ein  Teil meines Lebens geworden. Ich bin verbunden in der Trauer und in dem Gedanken der Versöhnung. Ich bin betroffen über die Verblendung der Täter, die glauben, damit ein  Werk Gottes, Alahs zu vollbringen. In diesen schmerzvollen Momenten denke ich an die Worte des großen „Häuptlings“, des ersten Präsidenten des demokratischen Afrikas, Nelson Mandela. Er sagte:

„Niemand wird geboren und hasst. Hassen müssen wir erst lernen.“

Auch dieser Täter war einst ein Baby, das vielleich mit einem unschuldigen Lächeln auf die Welt kam. Sich als Kind wie wir alle nach Liebe und Anerkennung sehnte.

Welche Geschichte ruht in ihm verborgen, die in ihm so einen Hass einpflanzte?

Eine so tief verwurzelte Feindbild-Saat, auf uns, die Menschen der westlichen Welt, die über langen Zeitraum genährt nur noch töten wollte…

Über die Ursachen nachdenkend gehe ich zurück in der Geschichte. Dreizehn Jahre ist es her, seit mit dem Irakkrieg eine neue Epoche kriegerischer Auseinandersetzungen anbrach.

„Bis dahin lebten“, wie es ein mir unbekannter Autor schrieb, „1000 Terroristen in Höhlen in Gebirgen“.

Nach diesem Krieg veränderte sich alles. Die Menschen sahen in den USA weniger die Befreier von einem diktorischen Herrscher, sondern das Chaos brach aus.
Die Waffen wurden immer moderner. Wie alles in der Welt unterliegen auch sie Entwicklungsstufen vom niederen zum höheren. Auch heute noch muss ein Teil der Piloten in den Kampf ziehen, um ihre Bomben abzuwerfen. Doch es gibt sie die Wunderwaffen im Kampf gegen den Terror: die Drohnen. Das sind unbemannte Flugzeuge die ihre tödliche Fracht ferngesteuert abwerfen. Der Pilot sitzt an seinem Schreibtisch und kann, wie in einem Computerspiel, ferngesteuert Drohnen auf den Weg schicken, die dann die Bomben abwerfen.

Gerechtfertigt wird dieser Weg immer damit, dass Terroristen bekämpft werden sollen. Studien zeigen aber immer wieder, dass bei solcherart

Bomardierungen acht bis neun Zivilisten von zehn getöteten Menschen getroffen werden. Zivilisten sind Frauen, Kinder, Männer, Kranke, Gesunde, Ärtze, Krankenschwester, Pfleger, Hilfskräfte, Verletzte und Sterbende …. Die solche Beschüsse Überlebenden sind auch die, die durch solches MITEINANDER „hassen lernen.“ Kinder werden zu Kindersoldaten, die inmitten in die kriegerischen Auseinandersetzungen wie in Afhganistan und Syrien herein gezogen werden. Aus der Liebe, die gerade im Herzen von Kindern in vielen Facetten erblüht, wird Hass. Sie entwickeln diesen Hass vielleicht auch, weil sie von uns Deutschen hören, die Soldaten nach Afghanistan senden und Waffen nach Syrien schicken. Ihr Hass nährt sich aus dem, was sie täglich in ihrem Alltag erleben. Das Licht und Liebe sind abwesend. DUNKELHEIT breitet sich aus. Extremisten haben wieder einmal mit ihren Parolen leichtes Spiel, denn sie bieten leichte Lösungen an.

Möglicherweise ist auch der Attentäter von Berlin eines dieser Kriegsopfer,

die nun den Krieg dorthin tragen, wo er die Verursacher seines Leides glaubt. Hier in Europa, in Brüssel, in Nizza und nun in Berlin…

Wer Wind sät, wird Sturm ernten

Schaue das obige Video an, indem die Menschen auf dem Breitscheidplatz singen, dann mischen sich die Gefühle in mir. Einerseits bin ich gerührt und gleichzeitig nachdenklich gestimmt. Nachdenklich, weil ich gleichzeitig das Logo der Commerzbank aufscheinen sehe. Diese Bank investiert Geld, das Geld ihrer Anleger, in Atomenergie und in Waffengeschäfte. Waffen, die sowohl produziert werden, um den Schutz unserer eigenen Grenzen zu gewähren, als auch um Soldaten damit auszurüsten die in fremden Ländern im „Namen des Friedens unterwegs“ sind. Aber auch, um diese Waffen zu verkaufen …

Letztlich sind diese Waffen durch unsere Steuergelder finanziert und durch Gelder von Banken wie der Commerzbank, der Deutschen Bank. Letzere hat den Wahlkampf für Trump mitfinanziert. Nun rollen die US-Panzer im Namen der Demokratie durch die Lausitz gen Osten an die Grenzen der europäischen Union… Waffengeschäfte ….

Bis zum heutigen Tage eines der lukrativsten und krisensichersten Geschäfte in der Welt.

Wenn ich dann die Kette der Ursachen zurück verfolge, dann bin ich es selbst, dann sind es wir alle es, die Kriege wie in Syrien und den Terror am Laufen halten. Wir alle tragen dazu bei, den Hass am Laufen zu halten.

Alles was wir in die Welt senden, kommt zu uns zurück.

Ich wünsche mir, das wir achtsam mit all dem, was unser Leben ausmacht umgehen und uns auf uns selbst besinnen. In diesem Sinne bin ich aus tiefem Herzen für das dankbar, was ich momentan auch erlebe: Millionen Menschen weltweit, die auf dem Wege sind sich selbst zu erkennen und Verantwortung übernehmen für all das, was ihr Leben ausmacht. Die in dem Wissen leben, das Krieg zu führen nie in den Frieden führt. Es gibt keinen Weg zum Frieden. Frieden ist der Weg. Das wußte schon die große Seele Mahatma Ghandi.

Aus tiefem Herzen bin ich dankbar, dass so viele Menschen von uns aus der lähmenden Schockstarre erwachen, die die Anschläge dieses Jahres in Europa hinterlassen haben. Das wir annehmen, dass der Terror momentan ein Teil unseres Lebens geworden ist. Ich bin den Menschen dankbar, die sich über alle Glaubensgrenzen hinweg zusammen finden. Gemeinsam entzünden sie das Licht des Glaubens, um die Toten von Berlin zu beweinen.

Es sind Menschen, die erkennen, dass

Wir alle die Welt sind.“

In diesen Gedanken hinein gehören für mich auch all jene Menschen, die wir ablehnen. Mir ist vollkommen klar, dass darüber viele der von diesem Anschlag betroffenen Menschen, kaum nachdenken kann. Doch auch dieser Attentäter ist ein Teil unserer Welt. Es ist furchtbar und grausam was an  einem so besonderen Ort geschah, der ein ewiges MAHNMAL für friedvolles MITEINANDER ist. Mit diesem letzten Anschlag hat der Täter jedoch eines bewirkt: Anstatt Menschen zu trennen, einte er sie in dieser besonderen Stadt, darüber hinaus und über alle Religionen hinweg.

Dieser gemeinsame Trauergottesdienst,

veranstaltet von der evangelischen Gemeinde Berlin mit einem Pfarrer, Herrn Germer, der durch seine persönlichen tiefen Täler geschritten ist. Dieses Totengedenken hat mich zu Tränen gerührt. Es ist ihm und den Verantwortlichen gelungen:

„christliche, muslimische und jüdische Führungskräfte und Menschen dieser Glaubensrichtungen zu vereinen“

im Namen Gottes zu vereinen. Sie alle haben eindrucklich bewiesen, dass Gott Liebe ist und viele Wege – die jeder Religion – zu ihm führen…. In dieser EINHEIT spürte ich Gottes wirken. Denn er oder sie oder es kann nur dort wirken, wo wir uns jenseits unseres Verstandes dem öffnen, was größer ist, als unser ICH.

Ich erinnere mich in diesen Momenten an einen Kunden von mir,

der mein Freund wurde und mit dem ich mich in der Seele verbunden fühle. Ein Mensch, mit dem ich über zehn Jahre durch die Höhen und Tiefen des Lebens ging, bis wir einen Kreuzweg erreichten, an dem sich unsere Wege trennten. Die Trauer, die für mich auch Liebe ist, mischt sich in die Trauer um die Verstorbenen in Berlin und um alle Menschen, die durch kriegerische Auseinandersetzungen gestorben sind oder diese Verletzungen der Seele weiter durch ihr Leben tragen. Auch er trug Verletzungen seiner Seele die ihm der Zweite Weltkrieg schlug, in sich. Sie heilten nie, da er einer Generation angehörte, der das Wort Persönlichkeitentwicklung fremd war.

Im August ist er verstorben und mein Mitgefühl ist mit seinen Angehörigen und den Menschen, die ihn vermissen.

Hans Heckmann, so der Name des Mannes,  liebte die Gedächtniskirche,

hatte den monumentalen Bau noch als junger Mann ganz unversehrt erlebt. Er war einer derjenigen, die es als ihre Lebensaufgabe ansahen, Berlin weithin sichtbar über künstliche Beleuchtungen zum strahlen zu bringen. Wie bedauerlich, dass es ihm nie gelungen ist, sein eigenes inneres Licht leuchten zu lassen. Luthers weise Worte fallen mir dazu ein.

„Gott stellt uns immer an die Stelle, wo wir etwas zutiefst zu lernen haben. Wir predigen dann das am Besten, was wir zutiefst zu lernen haben.“

Eine der Detailaufgaben von Hans Heckmann bestand in der Aus- und Anleuchtung der Gedächtniskirche Berlin. Seinem Wirken ist über fast sechs Jahrzehnte die Anleuchtung dieser Kirche zu verdanken.  Doch lassen wir ihn selbst zu Wort kommen mit seinen Erinnerungen zur Kaiser – Wilhelm – Gedächtniskirche. Mit freundlicher Genehmigung von Herrn Heckmann veröffentliche ich hier eine Leseprobe aus dem Werk: „Kandelaber- Heckmann“  – Eine Berliner Lebens- Liebes- und Lichtgeschichte.

[…] „Gemeint ist die

„Kaiser – Wilhelm – Gedächtnis – Kirche“, von uns Berlinern nur, „Gedächtniskirche“

Gedächniskirche

Kaiser- Wilhelm – Gedächtniskirche, unbekannter Fotograf, Wikipedia

genannt. Auch sie profitierte vom Aufschwung der Wirtschaft in den sechziger Jahren des letzten Jahrhunderts. Mit dem nötigen finanziellen Polster ausgestaltet konnten wir sie über Jahre mit immer neuen Anleuchtungen einhüllen.

Mit kaum einem Gebäude Berlins bin ich so verbunden wie mit dieser Kirche.
Als siebzehnjähriger war ich aus dem Ruhrpott gekommen, um die Weltstadt Berlin zu erobern. Während meiner Ausflüge kam ich so manches Mal an der Kirche vorbei. Dieser Bau, diese dunkele,  gewaltige  Steinmasse, erschien mir in ihrer Harmonie wohlgeformt wie ein Gebirge. „Diese Gedächtniskirche“  hatte Abmessungen, mein Gott, so etwas war mir als  Provinzler unbekannt! Sie bildete den Mittelpunkt des „Auguste- Viktoria- Platzes“, heute „Breitscheidtplatz“ und war umgeben von einer ganz und gar organisch abgestimmten Randbebauung.

Jedes Mal, wenn ich bei meinen Rundgängen die Kirche streifte, blieb ich stehen, um staunend und beeindruckt dieses Stück Gottesland, entworfen und geschaffen durch die Hand und den Verstand des Architekten Schwechten, zu betrachten. Ein ums andere Mal fiel mein Blick auf die eigens von Schwechten entworfene Platzbeleuchtung, die ich als Vollendung deutscher Handwerkskunst empfand.  Auf Granitsockeln erhoben sich reich verzierte, schmiedeeiserne Ständer auf denen ein Doppelarm ruhte, den ein Reichsadler zierte, der fünf Pressgaslaternen trug.Eine Vielzahl von diesen Kandelabern lies den Platz in der Dunkelheit in Helligkeit scheinen. Wie ich später während meiner Archivarbeit herausfand, hatte man die ursprünglichen Gaslaternen, der Helligkeit und für den aufkommenden Verkehr geopfert und sie im Jahre 1912 durch Pressgaslaternen ausgetauscht. Doch zum Glück konnten die alten Gaslaternen in neuen Konstruktionen, wie am Karolinger Platz überleben.

Viele Male ging ich in die Gedächtniskirche,

setzte mich auf eine ihrer Bänke und genoss die  Atmosphäre des Ortes. Ein anderes Mal bestaunte  ich die außergewöhnliche, prächtige Innenausstattung.  Die Leute erzählten seinerzeit voller Stolz von ihrer  Gedächtniskirche, denn sie galt als Wahrzeichen unserer modernen Metropole. So  dachte ich so manches Mal, während ich auf einer der Bänkesaß: „Ja, die Leute haben recht.“ Doch ein anderer Gedanke schlich sich in der Stille Gedächtniskirche in mein Bewusstsein:

„Schau dir das alles genau an, heute steht sie noch vollständig. Ob wir die über den Krieg bekommen, ist ungewiss.“ 

Es kam der Tag, an dem ihre Stunde geschlagen hatte und meine Ahnung sich erfüllte. Zurück blieb eine Ruine mitsamt eines  „hohlen Zahns“, wie wir Berliner unseren einst höchsten Turm der Stadt nannten. Neunzehn Jahre vergingen, bevor Egon Eiermann die Ausschreibung für den Wiederaufbau gewann. Die teilzerstörte alte Gedächtniskirche sollte vollständig verschwinden, doch

der „hohle Zahn“ war bereits zum Wahrzeichen für das aus Ruinen auferstandene Berlin geworden.

Der Widerstand der Berliner Bürger formierte sich erfolgreich.  Eine Debatte um die „schönste Ruine“ Deutschlands, an der sich auch Walter Gropius beteiligte, begann. Der Architekt Egon Eiermann ließ sich überreden, doch nicht überzeugen. Die Grundidee des Architekten war ein Bauwerk, das von innen nach außen strahlen sollte. Die blauen Gläser bezog man aus Rouon in Frankreich. Der Entwurf verband schließlich den Neubau mit den ursprünglichen Fragmenten, die auf die Gewaltigkeit der einstigen „Kaiser – Wilhelm – Gedächtnis- Kirche“ hinwiesen. In Eiermanns Konzept stellte jeder Aufbau in Kirchennähe, etwa eine Straßenleuchte, einen Störfaktor dar und so verschwanden, sehr zu meinem Leidwesen,  die letzten kunstvollen Kandelaber.

Das Deutsche Technikmuseum gab es damals noch nicht, dann hätte wenigstens ein Exemplar im Sinne des europäischen Kulturerbes die wirren und wilden Zeiten nach dem Krieg überlebt. Für die Kandelaber konnte ich damals nichts tun, wohl aber dafür, die Kirche von innen nach außen strahlen zu lassen.

Meine Aufgabe im Zuge der Umbauten war es, Licht ins Dunkel

der erhaltenen Mosaikdecken und in den großen Hohlraum der Gedächntiskirche zu bringen. […] Die Probeanleuchtungen fanden im Winter desselben Jahres statt. Es steht mir heute noch bildlich vor Augen, als wäre es gestern, welch eisige Kälte mich des Nächtens vor Zittern und Ehrfurcht erschauern lies, als die Anleuchtungen zum allerersten Mal die Ruine erstrahlen ließen.

1963 wurde die „Kaiser- Wilhelm- Gedächtniskirche“

Liebe

Gedächtniskirche Berlin, Foto Wikipedia Sebaso

in einer Festveranstaltung eingeweiht. Der krönende Abschluss dieses Tages war ein Abend für alle am Bau Beteiligten, zu dem Prinz Luis – Ferdinand von Hohenzollern, ein Enkel des ersten deutschen Kaisers, in seine Grunewaldvilla einlud. Mit Engagement hatte er sich an die Spitze der Stiftung gestellt,  die den Neubau der Kirche möglich gemacht hatte.

Als einer der Beteiligten war ich mit Gerda zu dem  Empfang geladen und empfand die Stunden, die wir dort verbrachten, als sehr angenehm. Was mir mit einem leichten Schmunzeln im Gedächtnis blieb, ist, dass selbst hohe SPD Funktionäre Prinz Luis – Ferdinand von Hohenzollern mit: „Kaiserliche Hoheit“ ansprachen, obwohl wir doch seit Jahrzehnten eine Republik waren. Es war ein interessanter Abend mit einigen unvergesslichen Begegnungen.

Die Straßenumbauten rund um die Gedächtniskirche erforderten  im Laufe der folgenden Jahrzehnte Nachbesserungen. Was sich da alles rund um die Gedächtniskirche abspielte! Mal wurde ein Tunnel gebaut, um ihn später wieder zu schließen. Ein anderes Mal entstand eine Fußgängerüberbrücke, die einige Jahre später wieder zurückgebaut wurde. Dann gab es einen Kreisverkehr und auch er verschwand wieder. Von der ehemaligen Randbebauung des Platzes war durch die Zerstörungen des Zweiten Weltkrieges kaum etwas erhalten geblieben. Die Verantwortlichen ließen große  Flächen abräumen, ohne Rücksicht auf historische Rekonstruktionen.

So folgte auf lange Strecken eine monotone Bauweise nach modernen Richtlinien, die ich als  eine sehr eintopfende Zeit empfinde. Eine Zeit, in der Neubebauung zum Teil auf Fehldiagnosen beruhte. Wie es der Lauf der Welt es vorsieht, hat man heutzutage die Fehler der Vergangenheit erkannt und will sie bei manchen Bauten, revidieren. [..]

Kaiser Wilhelm Gedächtniskirche Berlin, Foto Wikipedia GerhardM

Kaiser Wilhelm Gedächtniskirche Berlin, Foto Wikipedia GerhardM

Das ganze Dilemma dieses Platz wird gemildert durch den alten Stumpf der „Kaiser – Wilhelm – Gedächtniskirche“. Die  eiermannsche Neubauoktadonkirche aus Betonwaben ist ein Blickfang mit ihren Rouongläsern.  Das für mich wirklich Erstaunliche ist nach wie vor, dass rund um soviel entstand und wieder verschwand, nur die Anleuchtungen stiegen stetig auf ein höheres Niveau und erreichten im Zuge der 750 Jahr Feier ihren Höhepunkt. Aus Tiefbaumitteln bezahlten wir, wenn durch Straßenumbau eine Verschlechterung der Anleuchtung für die Kirche entstand. Das musste ausgeglichen werden und dabei entstand die Anleuchtung immer eine Nummer größer und besser und das freute mich ungemein

Die „Gedächtniskirche“ hieße nicht „Gedächtniskirche“

würde sie sich nicht immer wieder in Erinnerung rufen. Als Denkmal an die Einigung der deutschen Lande, als Wahrzeichen einer auferstandenen modernen Stadt  und als ein Symbol, das nichts von Dauer ist, in dieser Welt. Umgebaut am Beginn des Betonzeitalters, hält selbiger sich nicht an seine einstige versprochene unbegrenzte Haltbarkeitsdauer.  Die eingesetzten Betonwaben der Kirche sind nach jeweils fünfzehn Jahren am Ende ihres Daseins angelangt und müssen instand werden.“

[…]

In diesem Sinne mögen die Worte von Heckmann uns Vertrauen dafür schenken

das nichts von Dauer ist. Das Rad des Schicksasls, die Geschichte, bringen die Ereignisse und Menschen in unser Leben. Dann kommt der Tag, an dem auch der Terror Geschichte ist. Darauf vertraue ich mit ganzen Herzen und mit jeder Faser meines Seins.

In diesen Momenten jedoch verbinde ich mich mit allen Menschen und bete für Frieden, Vergebung und Versöhnung.

Denn wir sind die Welt. Jeder einzelne von uns hat es in der Hand, seine Welt zu befrieden und Verantwortung für Mutter Erde und sich zu übernehmen.

Vollgeläute der „Kaiser – Wilhelm – Gedächtniskirche“

Weiterführende Links

Auch Vergeltung bringt einen Menschen nicht zurück
Berührendes Interview mit dem Pastor der Gedächtniskirche in der FAZ

Attentäter von Berlin wundert sich, warum es im Paradies so heiß ist

Fürbitte für
Frieden, Tolereanz, Licht, Versöhnung und Visionen

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Irene Wahle ist seit 2004 freiberuflich als Biographin im deutschsprachigen Raum tätig. Sie schreibt und produziert in Kooperation mit ausgewählten Netzwerkpartnern kostbar gestaltete Biographien, Lebens-Zwischen-Bilanzen und Firmenchroniken. 2008 wurde sie für die von ihr geschriebenen Lebenserinnerungen: „Kandelaber-Heckmann “ mit dem 1. „Deutschen Biographiepreis“ ausgezeichnet. BiographinIW ist als Expertin für Lebens – und Unternehmensbücher ins „Netzwerk der Besten | Großer Preis des Mittelstands“ aufgenommen worden. Mit ihrer Arbeit setzt sich Irene Wahle dafür ein, Leben zu klären, Erinnerungen als wichtigen Bestandteil unserer Kulturgeschichte zu bewahren, Lebensleistungen zu würdigen und Visionen zu entwickeln. Tel. +49 381 68 63 874 biographie[at]irene-wahle.de

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